Hallo zusammen,
ich bin durch einen lieben Hinweis hier her gekommen. Kurz zu uns:
Wir sind eine Patchworkfamilie (50 und 53), dies nun seit über 10 Jahren. Zu mir gehört meine Tochter, 16, die ihren Lebensmittelpunkt vollumfänglich bei uns hat. Zu meinem Mann gehört ebenfalls eine Tochter, 17, die weitestgehend bei ihrer Mutter lebt und (mittlerweile) sporadisch zu uns kommt. Beide Mädels kennen sich ebenfalls seit 10 Jahren und kommen gut miteinander aus.
In diesem Falls geht es um meine Tochter. Ihr wurde, nach vielen Arztbesuchen, eine depressive Episode diagnostiziert. Sie geht aktuell in die 10. Klasse eines Gymnasium und wird nach den Sommerferien in die Oberstufe gehen. Die schulischen Leistungen sind ok. Nun ist sie seit einigen Wochen in Therapie bei einer Psychologin, 1x pro Woche. Sie hat sich bereits 2x in den Oberschenkel geritzt, alternativ blutig gekratzt. Aussagen wie, dass sie nicht weiss warum sie existiert sind auch gefallen. In eine stationäre Behandlung möchte sie sich partout nicht begeben, allerdings sieht Fr, Psychologin auch nicht, dass mein Kind stationär eingewiesen werden sollte.
Sie hat auch recht viele Fehltage angesammelt, i.d.R. mit der morgendlichen Aussage, dass sie sich mental nicht in der Lage sieht, die Schule zu besuchen. Gestern morgen ebenfalls, aufgrund der mentalen Lage. Gestern Abend konnte sie aber freudig auf die Abschiedsparty ihrer Klasse/Klassenlehrerin gehen. Heute morgen wieder der mentale Abbruch, sie kann nicht in die Schule gehen. So kurz vor den Ferien hier in NRW passiert nichts mehr im Unterricht.
Dies geht nun schon seit über einem Jahr so. Ich traue mich kaum ihr etwas negatives zu sagen, weil ich Angst habe, dass sie sich wieder verletzt. Ich kann mich aber meiner Gefühle nicht mehr wirklich gut verbergen. Laufe wie auf rohen Eiern durchs Haus. Vermeide Konflikte mit ihr, weil ich immer Angst habe. Nach der Diskussion heute morgen konnte ich wieder fühlen wie meine Laune den Bach runter ging und mein Puls und mein Blutdruck nach oben schossen. Ich könnte tagtäglich losheulen aus dem Stand. Diese Hilflosigkeit, diese ständige Angst. Diese Gedanken die bei mir aufkommen..... Leider muss ich mittlerweile zugeben, dass ich meiner Tochter nicht mehr glaube, es als Unwahrheit ihrerseits empfinde - diese Aussage mit der mentalen Lage. Die Vermutung, dass sie das ausnutzt, weil sie genau weiß. welchen "Knopf" sie bei mir drücken muss. Pubertätsbedingt reagiert sie, wenn ich denn mal was sage, zickig und genervt. Allerdings, und das meine ich mit ganzem Herzen, so kann das nicht weiter gehen. Ich bin fertig mit meinen Nerven. Ich muss mich jeden Tag so zusammenreißen um nicht zusammenzubrechen. Sie unter Umständen laut an zu meckern. Meine Zündschnur ist extrem kurz geworden. Oftmals gehe ich einfach in den Keller und schreie einfach in ein Kissen oder gehe raus, einfach so um den Block. Meine Nächte sind eine Katastrophe, ich schlafe seit Monaten keine Nacht mehr durch oder mehr als 5h. Kopfkino, Gedanken. Ich will ihr helfen, aber ich kann es nicht. Ich bin weder eine Freundin, noch eine Psychologin. Ich bin ihre Mutter. Einzige Sache, sie spricht mit mir über so ziemlich alles. Hat mir erzählt, dass sie sich selber verletzt hat. Sagt mir, wenn sie wieder diese dunklen Gedanken hat. Aber ich bin nicht immer bei ihr.
Und ihren Sport hat sie noch. 2x die Woche Training, dazu meist Samstags ein Spiel (Fußball U17er) Freunde/Freundinnen hat sie nicht, sagt sie, aber dennoch trifft sich sich ab und an mit anderen aus ihrer Klasse/Stufe. Sie hat Angst vor zuviel sozialer Präsenz, geht aber gerne auf Party.
Erschwerend aus meiner Sicht kommt ihr Freund. Diesen hat sie seit März 2024, an und für sich ein netter, junger Mann, aber auch er ist psychisch nicht ganz auf dem "Damm". ADHS wurde diagnostiziert. Er hat kein gutes Elternhaus (seine Aussage) und hat nach seinem Abschluß in 2024 es an einem Berufskolleg versucht, nach dem ersten Halbjahr wurde er dort "entlassen", da er die Schule kaum bis gar nicht besucht hat. M.M.n. ist er kein "gutes Vorbild" für sie, aber er ist ihre erste große Liebe und lt. Fr. Psychologin soll ich daran auch nicht rütteln. Ich für meinen Teil würde ihn am liebsten aus dem Leben meiner Tochter entfernen, da ICH denke, er tut ihr nicht gut.
Natürlich habe ich mich auch viel mit dem Thema Depression, gerade bei Jugendlichen, auseinander gesetzt, einiges gelesen. Aus meiner beruflichen Erfahrung weiss ich, wie verzweifelt Jugendliche sein können und was daraus folgt. (ehe. Rettungsdienst) Genau daraus resultiert ja auch meine Angst.
Leider ist mein restliches Leben auch nicht stressfrei, zudem bin ich, so lapidar das klingen mag, in der Premenopause. Dazu kommt, dass mein Schwiegervater von meinem Mann und mir umsorgt wird, nach Apoplex und Aphasie und beginnender Demenz. Heisst, alle Termine, alle Medikamente, das Organisieren und Koordinieren liegt bei uns. Meine Schwiegermutter ist leider vor 2 Jahren an Krebs verstorben. Die Zeit danach habe ich also mit 2 Männern in Trauer erlebt und begleitet.
Zu diesen Dingen kommt dann noch der normale Alltag, 3 Hunde, Vollzeitjob. Meine Eltern gibt es auch noch, die auch meine Hilfe ab und an brauchen. Hobbies habe ich mittlerweile keine mehr, keine Zeit.
Vermutlich habe ich hier viel zu wirr geschrieben, nur kann ich meine Gedanken gerade auch nicht mehr sortieren.
Danke fürs Lesen !
Mit lieben Gruß
Hallo Kocki,
schön, dass Sie dem Hinweis, uns zu schreiben gefolgt sind! Herzlich willkommen in der bke-Eltenberatung.
Beim Lesen ihrer Zeilen bin ich aus dem Staunen gar nicht mehr herausgekommen. Normaler Alltag, 3 Hunde, Vollzeitjob, Patchworksituation und Unterstützersituation für die Eltern - was fehlt da noch? Klar, die sich ritzende Tochter mi einer diagnostizierten Depression. Da kann ich gut nachempfinden, wie es Ihnen damit geht. Und nein, Sie haben nicht zu viel und zu wirr geschrieben.
So eine Diagnose bei Jugendlichen ist vor allem eine Momentaufnahme und sagt nicht über die Dauer der diagnostizirten Depression aus. Es ist also durchaus möglich, dass ihre Tochter an einem Sekundärgewinn festhält. Doch auch bei einer bestehenden Depression sollten Sie das Zepter nicht aus der Hand geben. Und Samthandschuhe trägt man in aller Regel auch nicht jeden Tag. Ich möchte Sie ermutigen, in ihrer Mutter-Tochter-Beziehung wieder den "normalen Alltag" einkehren zu lassen, indem Sie sie ruhig etwas fordern. In einem ruhigen Ton funktioniert es am besten. Schlucken Sie nicht allzu viel hinunter, sonst gelingt es Ihnen nicht mehr. Sport und Struktur helfen besser als jede Medikation und natürlich auch Partymachen, schmunzel. Da ist ihre Tochter auf einem guten Weg.
Ein Punkt ist ebenso wichtig wie die Befindlichkeit ihrer Tochter, nämlich ihre eigene. Zum Schreien in den Keller gehen zu müssen, um Entlastung zu spüren, ist Alarmstufe Rot! Bitte geben Sie ein gutes Stück Veratwortung an ihre Tochter ab, natürlich altersangemessen. Und fangen Sie an, gut für sich zu sorgen. Wenn Ihnen der Alltag kräftemäßig bis Oberkante Unterlippe steht, dann haben Sie auch keine Kapazitäten mehr für ihre Tochter, können nichts mehr gelassen nehmen. Schauen Sie, dass Sie Auszeiten in ihren Alltag einbauen und sich ffür ihre Leistungen belohnen. Halten Sie sich bei Laune, kurz gesagt. Was meinen Sie dazu?
So, nun wünsche ich ihnen eine kleine Auszeit zum Reflektieren und Entspannen und viele Grüße
bke-Nana Berg